Gespräch mit einer Kommunalpolitikerin aus Ribnitz

Beim 30jährigen Jubiläum auf Schloss Bröllin, Juli 2022

Marie Güsewell: … es ist hier ganz anders als Berlin, Sie arbeiten als Kommunalpolitikerin, soweit waren wir.

Besucherin: Ich habe das gemerkt, auch an Parteien, was so in Berlin gemacht wird und wie locker die Leute umgehen und wie engagiert sie sind. Und wenn man hier an die Küste kommt, dann muss man wirklich über die Trägheit und Lethargie der Leute hinweg die irgendwo hinbringen. Die würden manche Dinge gar nicht machen, zum Beispiel irgendwo klingeln gehen.

MG: Weil? Was würde passieren, gingen sie klingeln? Weil in Berlin ist es ja schon auch, dass Leute sagen: ‚Ja, das ist wichtig‘.

Besucherin: Die machen das. Aber ich würde von meinen Leuten gar keinen dazu bringen.

MG: Ach so, also quasi auch die Parteikolleginnen, Freundinnen?

Besucherin: Gar nicht, nee.

MG: Würden das nicht machen, okay.

Besucherin: ‚Nee, das tun wir uns nicht an.‘ So ungefähr, ne?

MG: Weil auch die Reaktionen unangenehm sein können?

Besucherin: Ja. Und weil wir auch eine andere Mentalität, eine andere Geschichte haben.

MG: Wie würden Sie die beschreiben, die Mentalität?

Besucherin: Naja, bei uns hier sagt man, Mecklenburg ist 100 Jahre später. Nein und das ist eine Bauernbevölkerung, die sind anders als Städter organisiert, historisch anders organisiert. Die Städter sind da wirklich anders. Mich hat das so fasziniert beim ersten Stand. Da habe ich mir diese Karten, diese gelben Karten geben lassen zur Demokratie. Und da denke ich: Oh, schön wäre es, wenn viel mehr Leute mitmachen und so irgendwie anspringen. Dann würde manches bei uns in Deutschland anders laufen. Nee, also deshalb finde ich das eine ganz tolle Idee. Ich habe auch von dieser Initiative, muss ich ehrlich sagen, noch nie was gehört.

MG: Von unserer jetzt? Was wir machen? Wir sind auch als Labor ganz frisch.
Aber unsere Frage ist ja keine neue. Die stellt sich ja immer wieder: Stadt – Land, natürlich gibt es viele Verbindungen und auch Abhängigkeiten voneinander. Aber trotzdem gibt es auch immer Kluften, die aufgehen. Und dann gibt es auch so eine Stadtfokussierung. In Brandenburg ist es oft Berlin.

Besucherin: Richtig.

MG: Wie ist es denn in Mecklenburg-Vorpommern? Da gibt es ja nicht so die ganz fette große Stadt, wie Berlin in Brandenburg. Da scheint es mir etwas breiter, weil auch die Städte wie Schwerin, Greifswald, Anklam oder Stralsund so ganz unterschiedlich sind.

Besucherin: In Schwerin und Greifswald, das muss man wieder unterscheiden, das sind Studentenstädte und das andere nicht. Und die bringen ein ganz anderes Leben, ganz anderes Gedankengut rein. Geh mal in eine Kleinstadt, hier nach Grimmen oder nach Ribnitz.

MG: Das kenne ich ein bisschen. Demmin kenne ich auch ein bisschen.

Besucherin: Die jungen Leute fehlen, die so ein bisschen Esprit haben. Schönes Thema, Demokratie ist ein weites Feld.

MG: Und würdest du sagen, dass Kunst oder künstlerische Angebote zur Demokratie und Demokratieentwicklung gehören?

Besucherin: Ja, auf jeden Fall.

MG: Auf welche Weise?

Besucherin: Ja, auf jeden Fall würden sie anregen, also Gedanken. Zum Beispiel diese gelben Postkarten machen deutlich, Demokratie kann man nur leben. Und leben muss man irgendwie erst mal anschubsen.

MG: Ja.

Besucherin: Und dafür ist die Kunst da. Dass du die Leute dazu kriegst, nachzudenken, aktiv zu werden. Ich kriege es nicht besser in Worte gefasst. Anzuregen, das ist ja Kunst. Die Welt aus einem anderen Blickwinkel sehen. Na, wenigstens erst mal aus einem anderen Blickwinkel sehen, so.

MG: Und dann ist aber auch die Frage, die so kursiert: Wie anknüpfen? Wie aus Beziehungen agieren? Weil, anregen kann ja auch was sein, was noch nicht da ist oder was noch nicht die ganze Zeit gedacht und gewünscht wird. Und das ist so ein Spannungsfeld zwischen auch was Neues bringen, auch was Neues zumuten. Aber dann nicht zu überfordern, um nicht sofort so ein: „Nee, ach nee“ also um nicht sofort einen Widerstand zu erzeugen und dann „Ach, jetzt kommen die wieder und wollen was“.

Besucherin: Du musst die Berührungsängste nehmen und das kann mit Kunst und durch Anregung passieren. Die Berührungsängste sind ja so vor der Politik: ‚Ja hier am Tisch rede ich mal, aber sonst nee.‘ Mehr nicht.

MG: Ja.

Besucherin: Ne.

MG: Wobei Kunst auch manchmal ganz viele Berührungsängste auslöst.

Besucherin: Auch, stimmt. Vielleicht bei mir nicht so.

MG: Ja, gut, das stimmt, ja, ja, das kommt auch auf die Hintergründe an.

Besucherin: Ja.